Ausstellung über Schicksale sowjetischer Kriegsgefangener

Gefangen, ausgebeutet, verhungert

Bremen. Das Elend sowjetischer Kriegsgefangener während des Zweiten Weltkriegs hat bisher wenig Beachtung gefunden. Die Bundesregierung erkennt sie nicht als Opfer der Nazi-Herrschaft an und lehnt Entschädigungen ab. Eine Ausstellung im Bremer Haus der Wissenschaft porträtiert das Leiden von Millionen Rotarmisten in deutscher Gefangenschaft und zeigt ihre Spuren in Bremen.

Juden, Sinti und Roma, Homosexuelle, Behinderte, Kommunisten. Die Liste der Bevölkerungsgruppen, deren systematische Vernichtung das nationalsozialistische Terrorregime anstrebte und mit grausamer Konsequenz betrieb, ist lang. Viel wird dafür getan, dass möglichst jeder, der in Deutschland lebt, möglichst viel über die zwölf grässlichsten Jahre in der Geschichte dieses Landes weiß. Dazu gehört auch das Wissen darüber, wer die Menschen waren, die ihr Leben verloren.

Eine Gruppe, die in der öffentlichen Wahrnehmung wenig Aufmerksamkeit erfährt, obwohl auch sie gezielt in den Tod getrieben wurde, ist die der sowjetischen Kriegsgefangen. An ihrer Zahl kann das nicht liegen: Von ungefähr 5,5 Millionen Soldatinnen und Soldaten der Roten Armee, die in deutsche Gefangenschaft gerieten, starben zwischen 1941 und 1945 bis zu 3,3 Millionen – ein Viertel der mindestens 13 Millionen Menschen, die außerhalb von Kriegshandlungen Opfer der Naziherrschaft wurden.

Mehrere Initiativen an den Bundestag, die sowjetischen Kriegsgefangenen als NS-Opfer anzuerkennen und den Überlebenden eine symbolische Anerkennung in Höhe von 5000 Euro zukommen zu lassen, blieben ohne Erfolg. Ein Beschluss über die neueste Petition vom März diesen Jahres steht noch aus. Wenn die Politik das Thema noch einige Jahre aufschiebt, wird zumindest die Frage der Zahlungen sich auf traurige Art von selbst erledigen – schon heute leben nur noch zwei- bis dreitausend Betroffene. Die Ablehnung wurde bisher mit einer Gesetzespassage gerechtfertigt, in der es heißt: „Kriegsgefangenschaft begründet keine Leistungsberechtigung.“

Die Rotarmisten in deutscher Gewalt waren aber nicht nur Kriegsgefangene, sondern Zwangsarbeiter mit schlechtesten Lebensbedingungen. Ihr Einsatz „erfolgte unter Missachtung der (. . .) Genfer Konvention und war durch brutale Behandlung, Unterversorgung, schlechte Arbeitsbedingungen und eine hohe Todesrate gekennzeichnet“, heißt es in dem Band „Sowjetische Kriegsgefangene im Arbeitseinsatz 1941-1945“ des Göttinger Wallstein-Verlags. Zum Vergleich: Von den insgesamt 232 000 englischen und amerikanischen Soldaten in deutscher Hand starben 8348. Das entspricht der Zahl von gefangenen Rotarmisten, die im bitterkalten Winter 1941/42 in Deutschland starben – pro Tag.

Auch in Bremen waren von 1941 bis 1945 stets rund 2000 sowjetische Kriegsgefangene zur Zwangsarbeit eingesetzt. Rüstungsbetriebe wie Borgward, Focke-Wulf und der Bremer Vulkan profitierten von ihnen; auch die Kriegsmarine – beim Bau des Bunkers Valentin – sowie die Reichsbahn bedienten sich ihrer Arbeitskraft. Die Soldaten waren auf engstem Raum zusammengepfercht, unter anderem in einem der größten Bremer Kriegsgefangenenlager in der Grambker Heerstraße, wo 1000 Personen hausen mussten.

Der Bremer Freundeskreis des Berliner Vereins „Kontakte“ hat sich die Aufgabe gestellt, die Spuren sowjetischer Kriegsgefangener in der Stadt sichtbar zu machen. Die Ergebnisse der Recherche bilden einen Teil einer Ausstellung unter dem Titel „,Russenlager’ und Zwangsarbeit – Bilder und Erinnerungen sowjetischer Kriegsgefangener“, die morgen um 19 Uhr im Haus der Wissenschaft eröffnet wird. Der zweite Teil ist eine Wanderausstellung, die überlebende ehemalige sowjetische Zwangsarbeiter in Deutschland porträtiert.
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Dieser Artikel aus der Bremer Tageszeitung "WESER-KURIER" erscheint hier vor allem deshalb im Volltext, weil er online über einen Link nur kostenpflichtig aufrufbar wäre. Ich halte das für unanständig. GF

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