Ahoi,

leider ist es von Radio, TV und Printmedien nur begrenzt zur Kenntnis genommen worden. Deshalb versuche ich auf diesem Wege ein paar Informationen zu streuen.

Gestern hat die Staatsanwaltschaft Darmstadt die gesamte zentrale Informationsinfrastruktur der Piratenpartei über mehrere Stunden hinweg vom Netz genommen. Damit waren nicht nur die klassischen Webseiten nicht mehr aufrufbar, auch das Wiki und die pirateneigenen Etherpads waren abgeklemmt, Newsgruppen, Mailinglisten und die offiziellen Mail-Adressen ganz vieler Piraten waren zwischen 9:15 Uhr und 17:20 Uhr nicht erreichbar.

Das alles zwei Tage vor den Wahlen in Bremen.

Hier wurde die gesamte Arbeit einer Oppositionspartei, der siebtstärksten Partei der Republik, ausgeschaltet.

Grundlage ist angeblich die Voranfrage französischer Ermittlungsbehörden auf Amtshilfe der deutschen Staatsanwaltschaften. Ich schreibe hier Voranfrage, da ein rechtskräftiges Amtshilfeersuchen offensichtlich nicht vorliegt. Hintergrund ist, dass angeblich in einem Pad des öffentlich zugänglichen Etherpad-Servers der Piratenpartei eine Gruppe Informationen austauschte, die am 18. April 2011 zu einer DDOS-Attacke auf den Webserver der Electricité de France führte – also kein Hacker-Angriff, wie das Desinformationsmedium Spiegel Online behauptete, denn Eine DDOS-Attacke lässt die Daten auf dem Server völlig unberührt und schränkt nur die Erreichbarkeit eines Webangebots ein. Schon gar nicht wurden französische AKWs angegriffen, wie Spiegel-Autor Ole Reißmann fälschlicherweise behauptet.

Warum aus dieser Mücke ein Demokratie-GAU werden konnte, ist bislang völlig unklar. Tatsache ist, dass die Staatsanwaltschaft Darmstadt und das BKA sich nicht etwa an die Piratenpartei wandte, denn angeblich ging es doch gar nicht gegen die Partei, sondern nur gegen externe Nutzer einer von der Partei öffentlich bereitgestellten Infrastruktur. Statt dessen enterten die Staatssicherheitsorgane den Dienstleister, der der Piratenpartei die Rechner und den Speicherplatz zu Verfügung stellt. Ultimativ wurden Dienstleister und die inzwischen verständigte Piratenpartei aufgefordert, entweder den Zugriff auf die gespeicherten Inhalte zu ermöglichen oder die physische Beschlagnahme und Mitnahme der beteiligten Rechner in Kauf zu nehmen.

Die Piratenpartei hat Beschwerde gegen dieses völlig unverhältnismäßige Vorgehen eingereicht.

Dass ein solcher Demokratie-GAU überhaupt möglich war, wirft ein bezeichnendes Licht auf die Zustände in der Republik. Das BKA hat sich bezüglich seiner Kompetenz in Fragen des weltweiten Informations- und Kommunikationsnetzes in Grund und Boden blamiert. Es wird die Aufgabe wachsamer Bürger sein müssen, hier aufzuklären und zu verhindern, dass derartige Inkompetenz weiterhin Schaden an der Demokratie anrichten kann.

Ich möchte abschließend auf eine wichtige Blogs hinweisen, die sicher weiterhin das Geschehen kritisch begleiten werden:

<http://www.internet-law.de/2011/05/durchsuchungsbeschluss-gegen-die-piratenpartei.html>
<http://www.lawblog.de/index.php/archives/2011/05/20/ein-akt-der-deutschen-behrden/>
<http://www.netzpolitik.org/2011/piratenpartei-server-auf-polizeiliche-anweisung-offline/>

<http://www.fixmbr.de/warum-die-beschlagnahme-der-piratenserver-ein-angriff-auf-unser-grundgesetz-ist/>

<http://etherpad.org/2011/05/20/german-police-raid-etherpad-deployment/>

Bemerkenswert ist überdies, dass bislang außer der Rentnerinnen- und Rentnerpartei (auf deren Website) und den Freien Wählern Berlin (per Twitter) keine andere Partei diesem Angriff auf die demokratische Integrität der Republik entgegengetreten ist. Allein von Malte Spitz (Grüne) und Jimmy Schulz (FDP) gibt es zaghafte öffentliche Äußerungen.

Ich würde mich freuen, wenn diese Informationen am Tag vor den Wahlen in Bremen weiter gestreut werden können, wenn denn die herkömmlichen Medien anscheinend weitgehend versagen.

Mit bestem Dank und einem freundlichen Gruß aus Berlin

Eberhard Zastrau

Danke, lieber Eberhard, ich habe es hiermit "gestreut".

Und allen Beteiligten rufe ich hiermit Artikel 20 unseres Grundgesetzes in Erinnerung (Hervorhebungen von mir):

Art 20

(1) Die Bundesrepublik Deutschland ist ein demokratischer und sozialer Bundesstaat.
(2) Alle Staatsgewalt geht vom Volke aus. Sie wird vom Volke in Wahlen und Abstimmungen und durch besondere Organe der Gesetzgebung, der vollziehenden Gewalt und der Rechtsprechung ausgeübt.
(3) Die Gesetzgebung ist an die verfassungsmäßige Ordnung, die vollziehende Gewalt und die Rechtsprechung sind an Gesetz und Recht gebunden.
(4) Gegen jeden, der es unternimmt, diese Ordnung zu beseitigen, haben alle Deutschen das Recht zum Widerstand, wenn andere Abhilfe nicht möglich ist.

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